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Das Equine Cushing Syndrom – Eine haarige Angelegenheit!

Equines Cushing Syndrom (ECS) ist die häufigste hormonelle Störung bei Pferden über 15 Jahre. Studien haben gezeigt, dass 60% der Pferde über 16 Jahre klinische Anzeichen der Veränderungen der Blutwerte haben, die durch ECS verursacht werden. Allein in Deutschland gibt es schätzungsweise über 45.000 Pferde mit ECS.

Was ist das Equine Cushing Syndrom?

ECS wird durch eine Störung der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) verursacht. Dieses kleine aber wichtige Organ ist für die Produktion und Regulation vieler lebenswichtiger Hormone verantwortlich. Unter diesen ist auch z.B. das Adrenocorticotrope Hormon (ACTH), welches die Ausschüttung von körpereigenen Kortison-ähnlichen Stoffen reguliert. Wenn bei ECS die Produktion dieser Hormone unreguliert gesteigert wird, kommt es zu einer Vielzahl unerwünschter Nebenwirkungen und klinischen Veränderungen. Früher hat man einen Tumor der Hirnanhangsdrüse beschuldigt, inzwischen ist aber bekannt, dass bei vielen Pferden mit ECS die Hirnanhangsdrüse zwar vermehrt ACTH produziert, dabei aber nicht tumorös verändert oder vergrößert ist. ECS ist nicht heilbar (aber behandelbar, sehe unten!) und progressiv.

Was sind die Symptome von ECS?

Die Veränderung, die einem als Pferdebesitzer meist als erstes auffällt, ist eine Verlangsamung des Fellwechsels. Bei manchen Pferden sieht man an typischen Stellen an den Beinen und unter dem Bauch erst vereinzelte lange Haare die viel langsamer oder gar nicht ausfallen, bei anderen merkt man eine schleichende generalisierte Verdichtung des Fells (Hirsutismus). Das Fell wird auch oft lockig. Unbehandelte Pferde und Ponies mit ECS sehen irgendwann fast aus wie ein Mammut! Entsprechend des fehlenden Fellwechsels, haben die Pferde mehr Probleme mit Hitze und Anstrengung fertig zu werden, und vermehrtes Schwitzen wird beobachtet (Hyperhydrose).

Eine schleichende Apathie (Müdigkeit, ruhig werden) setzt gleichzeitig ein, wobei bei vielen Pferden dies auf das zunehmende Alter geschoben wird.

Durch die hormonbedingte Veränderung des Stoffwechsels, neigen Pferde mit ECS zum Muskelabbau und Fettdepotbildung. Durch den Muskelschwund wird oft die Entstehung oder Verschlimmerung eines Senkrückens beobachtet. Die Fetteinlagerungen bei diesen Pferden befinden sich an typischen Stellen, im Nackenkamm, über den Augen und an der Kruppe. Manchmal ist das Pferd dabei als Ganzes nicht übergewichtig, zeigt aber trotzdem diese anormale Fettablagerung.

Typische Symptome bei ECS: Dichtes, lockiges Fell, Fettdepots am Nackenkamm, Apathie.(Bild von Prof. Dr. K.Lohmann, WCVM)
Typische Symptome bei ECS: Dichtes, lockiges Fell, Fettdepots am Nackenkamm, Apathie.
(Bild von Prof. Dr. K.Lohmann, WCVM)

Wenn die Pferde nicht automatisch getränkt werden, merkt man bei fast allen Pferden eine vermehrte Wasseraufnahme und damit einhergehend einen verstärkten Urinabsatz.

Durch die vom körpereigenen Kortison ausgelöste Dauer-„Stressreaktion“ des Körpers, wird auch das Immunsystem beeinflusst. Pferde mit ECS neigen vermehrt zu Infekten, und können auch Fruchtbarkeitsprobleme haben.

Die meist gefürchtete Konsequenz dieser Veränderungen ist die Hufrehe. Es wird vermutet, dass Pferde mit ECS besonders empfindlich für Hufrehe sind, da sie meist auch eine Insulinresistenz zeigen und schnell übergewichtig werden. Die Reheschübe bei ECS können trotz korrekter Behandlungs- und Vorbeugungsmaßnahmen wieder auftreten, wenn die daruntergelegene Ursache, das ECS, nicht behandelt wird, und zu erheblichen Schäden führen, die eventuell die Euthanasie des Pferdes nötig macht.

Hufringe nach chronischer Hufrehe; Rotation des Hufbeins nach Hufrehe (Bild von Prof.Dr. K.Lohmann, WCVM) Hufringe nach chronischer Hufrehe; Rotation des Hufbeins nach Hufrehe (Bild von Prof.Dr. K.Lohmann, WCVM)
Hufringe nach chronischer Hufrehe; Rotation des Hufbeins nach Hufrehe
(Bild von Prof.Dr. K.Lohmann, WCVM)

Wie wird ECS diagnostiziert?

Obwohl viele der klinischen Anzeichen typisch sind für das Equine Cushing Syndrom, ist es ratsam vor Anfang einer Behandlung die Diagnose durch Blutwerte zu bestätigen. Dafür gibt es zwei verschieden Verfahren:

  • Eine Blutprobe wird genommen und das ACTH im Blut bestimmt. Diese Methode ist die gängigste und 90% der Pferde mit ECS zeigen einen erhöhten ACTH-Wert im Blut und werden mit diesem Test erkannt.
  • Die zweite Methode ist etwas aufwändiger, kann aber helfen die letzten 10% der Pferde, die keinen erhöhten ACTH-Wert haben, zu diagnostizieren. Eine Blutprobe wird nachmittags zwischen 4 und 6 genommen, und danach wird eine kleine Menge Kortison gespritzt. Am nächsten Tag zwischen 10 und 12 wird eine zweite Blutprobe genommen. In diesen Proben wird der Kortisol-Wert bestimmt. Bei normalen Pferden sollte durch die Selbstregulierung des Körpers nach Zugabe von Kortison vom Tierarzt, das Cortisol in der zweiten Probe niedriger sein als in der ersten. Bei Pferden mit ECS fehlt diese Regulation, also ist der Wert gleich.
Es gibt eine kleine Zahl von Pferden und Ponies, die trotz eindeutiger Anzeichen von ECS bei diesen beiden Tests negativ sind. Bei diesen Pferden sollte man entweder in 2-3 Monaten die Tests wiederholen, oder wenn eine schnelle Diagnose zur Behandlung nötig ist, mit seinem Tierarzt überlegen, ob man einen dritten Test macht (TSH-Stimulation), oder vorsichtig anbehandelt und dann später erneut diagnostiziert.

Erstaunlicherweise korrelieren die Blutwerte meist nicht mit den klinischen Symptomen, d.h. manche Pferde haben extrem erhöhte Blutwerte und fast keine Symptome, wobei andere ganz eindeutige und starke Symptome zeigen mit fast normalen Blutwerten. Nichts desto trotz kann die regelmäßige Kontrolle der Blutwerte der beste Weg sein, um die Einstellung auf der Behandlung zu kontrollieren.

Bluttest im Herbst?

Viele Studien haben gezeigt, dass Pferde im Herbst immer erhöhte ACTH-Werte im Blut haben. Dadurch reagiert der Körper auf die kürzer werdende Tageslänge und bereitet sich auf den Winter vor. Früher hat man deswegen vermieden, im Herbst (August-November) die ECS-Tests durchzuführen, um keine normalen Pferde fehlerhaft mit ECS zu diagnostizieren. Heute haben die meisten Labore erhöhte „Normalwerte“ für den Herbst, und man kann deswegen die Tests im Herbst auch durchführen. Man sollte aber aufpassen, wenn man zur Behandlungskontrolle Frühlingswerte mit Herbstwerten vergleicht.

Wie wird ECS behandelt?

Seit Jahren hat sich die Behandlung mit Pergolid bewährt. Ursprünglich zur Behandlung vom Morbus Parkinson beim Mensch eingesetzt, kann Pergolid die überschüssige Hormonproduktion durch die Hirnanhangsdrüse reduzieren. Die Dosis muss von Pferd zu Pferd individuell nach Verbesserung der klinischen Symptome und der Blutwerte angepasst werden. Es ist manchmal erstaunlich, dass z.B. ein Warmblut nur halb so viel Pergolid braucht wie ein Pony! Wenn die Dosis richtig eingestellt ist, merkt man innerhalb von 6-8 Wochen, dass viele der Symptome verschwinden. Manche alte Pferde finden dabei ihre alte Lebenslust wieder, und man merkt erst dann, wie viel die Krankheit sie mitgenommen hatte. Beim nächsten Fellwechsel ist dann auch schnell eine Verbesserung des Fells zu sehen. Man muss aber natürlich, wie bei jedem Pferd, weiterhin auf regelmäßige Entwurmung, Zahnkontrollen und Impfungen achten, sowie bei Pferden mit Rehe, diese entsprechend behandeln und weiter durch limitierten Weidengang und stärkereduziertes Futter Vorbeugungsmaßnahmen treffen.

Manche Pferde zeigen erneut verstärkte Symptome oder Reheschübe im Herbst, was auf die erhöhte, natürliche ACTH-Produktion in dieser Jahreszeit zurückzuführen ist. Deswegen empfiehlt sich bei eingestellten Pferden die Blutwerte im September oder Oktober erneut zu kontrollieren, da eine saisonale Erhöhung der Dosis nötig sein könnte. Pergolid ist ein extrem sicheres Medikament! Die einzigen Nebenwirkungen bei zu hoher Dosis ist ein vorübergehender Appetitmangel und bei manchen Pferden Schläfrigkeit. Diese können aber durch Anpassung der Dosis sehr schnell wieder beseitigt werden.

Pergolid wird nur von einer Firma für Pferde vertrieben, unter dem Handelsname Prascend®. Die meisten Pferde und Ponies bekommen einmal täglich ½ bis 1 Tablette, was zu Behandlungskosten von 0.80-1.50€ pro Tag führt. Da ECS nicht heilbar ist, muss die Behandlung lebenslang erfolgen!!!

Letztes Jahr erschien eine Studie, die eine deutliche Verbesserung der Symptome und der Blutwerte bei Pferden mit ECS durch einen Futterzusatzstoff mit Mönchspfeffer und anderen pflanzlichen Stoffen zeigte (Corticosal®). Da diese Studie vielversprechend ist, sollte man auf die alleinige Zufütterung dieses Mittels als Behandlung verzichten, außer bei Pferden die Pergolid nicht vertragen oder nicht drauf ansprechen, da die möglichen Konsequenzen einer unzureichenden Behandlung gravierend sein können. Es spricht nichts dagegen, diesen Futtermittelzusatz als Ergänzung zur Pergolidbehandlung zuzufüttern, um mit Blutwertkontrollen die Pergoliddosis zu auf die kleinste, nötigste zu reduzieren. Interessanterweise zeigte eine andere Studie, dass Mönchspfeffer allein zu keiner Verbesserung führt.

Wird mein pferd mit ECS je wieder normal?

Das Equine Cushing Syndrom ist unheilbar und progressiv. Durch frühe Diagnose und passende Behandlung können Pferde sehr gut damit leben und altern. Besonders wichtig dabei ist es, gravierende Konsequenzen, wie Hufrehe, zu verhindern, wenn möglich bevor sie anfangen. Natürlich muss bei jedem geriatrischen Pferd noch besonders gut auf Hufpflege, Ernährung und Gesundheit geachtet werden, damit sie mit Freude in ihr goldenes Lebensalter hinein galoppieren können!

Nathalie Tokateloff, Tierärztin, MVSci, Dipl. ABVP (Equine Specialty)